Verleger: Enteignet Google!
Von Bernd Kling am 30. Juni 2009 1 Kommentar
Jetzt wird’s noch bunter: Der badische Medienmogul Hubert Burda, Verleger schillernder Publikationen wie Bunte, Freundin, Chip und Focus, schließt sich der Springer-Kampagne für wunschgemäße Verlagsrechte an. Er fühlt sich „schleichend enteignet“ durch Suchmaschinen und Provider. Deshalb ruft er nach neuen Gesetzen – und dem Geld von Google.
Das hört sich noch schriller und verzweifelter an als in der „Hamburger Erklärung“, in der Größen der deutschen Verlagswelt wie Springer, Spiegel-Verlag, Zeit-Verlag, Bauer, Gruner & Jahr für ein „Leistungsschutzrecht“ getrommelt hatten. Sie wollen das autorenfreundliche Urheberrecht aushebeln, um auf einer solchen gesetzlichen Grundlage rundum abkassieren zu können über eine Verwertungsgesellschaft à la GEMA. Die Praktiken einer ins digitale Zeitalter taumelnden Musikindustrie als Zukunftsmodell?
Verleger Burda, der gemeinhin als eher Internet-affin gilt, hatte sich dieser Erklärung nicht angeschlossen. Zu hoffen war, wenigstens ein deutscher Verleger könnte noch für eigene Geschäftsmodelle statt Gesetze-Lobbyismus engagiert sein. Leider weit gefehlt, denn mit alarmistischem Tonfall vergaloppiert er sich in einem Beitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung noch weiter als Springer & Co.
Ein Internet-affiner Verleger?
Er appelliert an den „Selbsterhaltungstrieb unseres Rechtsstaats“, um neue Lizenzen zum Abkassieren zu bekommen. Er will per Gesetz am Geschäftsmodell der Suchmaschinen partizipieren dürfen, denn: „Onlinewerbung funktioniert, aber sie landet vor allem bei den Suchmaschinen.“ Die Suchmaschinen sollen irgendwie schuld daran sein, dass die Verlage „kein tragfähiges Geschäftsmodell“ finden. Außerdem schwimmen Google & Co doch im Geld: „Suchmaschinen, aber auch Provider und andere Anbieter profitieren überproportional von unseren teuer erstellen Inhalten.“
Burda verurteilt die „Link-Ökonomie“ des digitalen Zeitalters, die zu einer „schleichenden Enteignung der Inhalte-Produzenten“ führe. Böse seien sie außerdem, umgehen doch „Suchmaschinen durch Platzierung entsprechender Suchergebnisse unsere Angebote“.
Will er jetzt gesucht und gefunden werden oder lieber doch nicht? Er scheint sich nach einer Abschottung zu sehnen, die nichts mehr mehr den Internetstrukturen von heute zu tun hätte: „“Verlage brauchen die Sicherheit, dass ihnen das ausschließliche Recht auf Vervielfältigung, Verbreitung, öffentliche Wiedergabe und öffentliche Zugänglichmachung für Presseerzeugnisse zusteht, und das muss auch für digitale Medien gelten.“
Links zu „teuer erstellen Verlagsangeboten“ erklärt er tatsächlich zur kommerziellen Verwertung und will – deshalb die Forderung nach Gesetzesänderung – dafür kassieren dürfen: „Wer die Leistungen anderer kommerziell nutzt, muss dafür bezahlen.“
Hat sich der Mann verplappert? Der 69-jährige ist immerhin Präsident des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger und eben für weitere drei Jahre in dieser Position bestätigt worden.
Her mit der Kohle!
Burda spricht ausschließlich von Verlagen, in auffallender Weise aber nicht von Blogs, nicht von freien Journalisten, nicht von den eigentlichen Urhebern. Qualitätsjournalismus ist für ihn ein „besonderes Kulturgut“, wie es nur von Verlagen produziert werden könnte.
Qualitätsjournalismus?
Für diese selbst attestierte Kulturgut-Leistung fordert er besonderen Schutz vor Suchmaschinen, nebenbei mit finanzieller Beteiligung an denselben. Er fordert ausdrücklich das Recht, von Suchmaschinen „nach objektiven Kriterien gefunden“ zu werden, an ihren Erlösen „zu überprüfbaren Konditionen zu partizipieren“. Das hört sich jetzt aber eher an, als wollte er gerne Google enteignen und unter staatliche Aufsicht stellen.
Was will uns Hubert Burda damit sagen? Dass er nach all diesen Jahren kein Geschäftsmodell für das digitale Zeitalter gefunden hat? Und noch eine Branche an den digitalen Herausforderungen scheitert, weil sie einfach keinen Plan hat?
Burda, der gescheiterte Provider
Nicht, dass er es nicht versucht hätte. Der Verleger, der sich heute „schleichend enteignet“ fühlt durch Suchmaschinen und Provider, hat es selbst schon als Provider versucht mit Europe Online (EOL), einem „Datendienst“ in Konkurrenz zu AOL und Compuserve. War eben so eine Idee damals im Jahr 1994, er stieg wieder aus, überließ EOL der Pleite. Und dieser tüchtige Unternehmer stellt sich heute hin und lamentiert über andere, deren bessere Geschäftsmodelle sich bewährten?
(bk)
Verlegerlobby fordert noch mehr Stoppschilder im Internet
E-Books: Verlage in Piraten-Panik
Zum Thema im Web:
Spiegel Wissen über Burda-Datendienst EOL
Abbildung: Flominator / CC (Burda-Gebäude in Offenburg)
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